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Sind meine Bücher gut genug?

Wer kennt sie nicht, die Selbstzweifel? Dafür braucht man nicht Autor*in zu sein. Aber mal ehrlich: Woher kann ich wissen, ob mein Buch gut ist? Wer ist kompetent genug, um das zu beurteilen?


Es ist ein bisschen wie beim Essen. Die Geschmäcker sind zwar unterschiedlich, aber wenn es plötzlich darum geht, ein Gericht zu beurteilen, werden wir alle zu kleinen Gourmets, die behaupten, gutes Essen von schlechtem unterscheiden zu können, ganz unabhängig davon, ob wir in einem 5- Sterne-Restaurant speisen oder beim Tacco-Stand um die Ecke.


Sind es die Rezensionen, die über ein Buch entscheiden? Oder sind es die Verkaufszahlen? Ist es ein Literaturpreis? Oder ist es meine persönliche Meinung? Gehen wir doch der Reihe nach.


Rezensionen

Ein wichtiger Gradmesser auf Amazon. Ohne Rezensionen geht gar nichts mehr. Selfpublisher arbeiten mit Bloggern zusammen, um bei einer Neuerscheinung Rezensionen zu generieren. Denn ohne Rezension braucht man auf Amazon gar keine Werbung zu schalten. Oder wann hast du das letzte Mal ein Buch gekauft, das ohne Bewertung war?

Bei Musik ist das einfacher. Kurz reinhören und schon weiß man, ob einem das Stück, der Stil oder die Stimme zusagen. Bei Büchern ist das ein bisschen anders. Die sind nicht in 3 Minuten konsumierbar. Und selbst wenn man eine Leseprobe liest, hat man noch nicht die Garantie, dass das Buch gut ist. Dafür sind Rezensionen da.

Doch Rezensionen schüren auch Erwartungen. Schon oft ließ ich mich von solchen Stimmen beeinflussen, sodass mir letztendlich nichts anders übrig geblieben ist, als die Begeisterung als subjektiv oder gekauft abzutun und das nächste Buch zur Hand zu nehmen.


Verkaufszahlen

Gerade als Selfpublisher*in hat man die großartige Möglichkeit, sein Buch auf Amazon selbst zu bewerben. Einer der größten Märkte der Welt steht einem offen! Das muss man sich mal vorstellen! Aber Werbung ist natürlich nicht gratis. Selbst wenn man bei Amazon pro Klick bezahlt und das Gebot selbst festlegen kann, ist dennoch ein Budget vonnöten, um mitzumischen. So nach dem Prinzip: Erst, wenn du oben in die Maschine Geld reinsteckst, spuckt sie unten auch wieder welches aus. Ist klar: Nicht alle haben Geld, das sie locker machen können.

Zudem grenzt das Werben auf Amazon nahezu an eine Wissenschaft. Ich bin geneigt zu behaupten, dass physische Produkte besser beworben werden können, als digitale. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag.

Jedenfalls ist es nicht leicht, Verkäufe zu generieren, die einem einen Bestseller-Button einbringen. Und selbst dann bedeutet das nicht, das Buch A besser ist als Buch B. Denn vielleicht war für Buch B einfach kein Werbebudget vorhanden, um das Werk auf Platz 1 zu katapultieren.


Literaturpreise

Ich muss zugeben, da kenn ich mich nicht wirklich aus. Ich weiß nicht, wie Bücher auf einer Liste landen oder nach welchen Kriterien eine Jury vorgeht. Ich schätze, das ist auch je nach Preis unterschiedlich. Aber hierzu fallen mir zwei Geschichten ein.

Charlotte Birch-Pfeiffer war eine Dramatikerin Mitte des 19. Jahrhundert. Ihre Stücke waren gern gesehen und wurden auch oft aufgeführt. Das hat ihr auch den Ruf einer Trivialdramatikerin eingebracht. Denn: "Wer erfolgreich ist, ist trivial." Literaturkritik reagiert gereizt auf Erfolg und die Literaturwissenschaft ignorierte Birch-Pfeiffer, obwohl sie genauso relevante Stücke geschrieben hat wie Büchner. Die Tatsache, dass Frauen damals ihren Platz zu Hause im privaten Raum hatten und die Tradition der Literatur auf dem Patriarchat basierte, spielte natürlich als weiterer Grund mit hinein, aber das ist eine andere Geschichte. Die Damen wurden zwar aufgeführt und gelesen, aber sie wurden nicht akzeptiert, nicht ernst genommen und nicht in den literarischen Kanon aufgenommen.

Hundert Jahre später (genau gesagt 1994) greift der deutsch-türkische Schriftsteller Akif Pirinçci, der mit Felidae (1989) und Der Rumpf (1992) beachtliche Erfolge vorweisen konnte, den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki an. "Er warf ihm vor, die Literaturkritik würde eine von der Leserschaft abgehobene Literatur rezensieren; auch wisse er nicht, weshalb man Goethe lesen solle. Dass er nicht rezensiert werde, bekümmere ihn nicht, da die Literaturkritik den erfolgreichsten Schriftsteller der Gegenwart, Stephen King, ebenfalls nicht zur Kenntnis nehme." (Auszug aus Wikipedia)

Man mag von Pirinçci halten, was man will, doch in Bezug auf die abgehobene Literatur hat er meines Erachtens nicht unrecht. Auch wenn heutzutage Frauen schon längst in der Literaturszene Fuß gefasst haben, brüsten sich die Literaturkritiker noch immer damit, renommierte Preise zu vergeben, während sie die Bücher, die die Masse ansprechen, als Trivialliteratur abtun. Juroren spielen nach ihren eigenen Regeln und legen Kategorien fest, denen die Masse nicht unbedingt zustimmen würde. Man tut also gut darin, Literaturpreise kritisch zu betrachten.


Ist denn auf gar nichts mehr Verlass? Rezensionen und Verkaufszahlen haben also beide das Potential, manipulativ zu sein? Und die Literaturpreise sind ein einziges Verschwörungsgeflecht? Kann ich mich denn wirklich nur noch auf mich selbst verlassen?


Die eigene Meinung

Nach welchen Kriterien beurteile ich denn Bücher? Oder bin ich sowieso bereits zu voreingenommen, weil ich selbst schreibe; oder weil ich Germanistik studiert habe? Darf ich mich als reflektierter brüsten als ein vierundzwanzigjähriger Bachelorand, dessen Leseliste nur eine Handvoll Klassiker enthält und der Goethe's Faust gar nicht gelesen hat? Spoiler: Die wenigsten Germanisten haben Faust gelesen. Doch selbst wenn er auf meiner Liste zu finden ist, macht mich das ja wohl nicht zu einer ernstzunehmenderen Instanz – und bessere Bücher schreibe ich deswegen auch nicht.

Meine persönliche Meinung setzt sich aus Faktoren zusammen wie: Spannung, Action, Figuren, Dialogen, Thema und fehlerfreier Orthographie. Eigentlich recht simpel. Die Reihenfolge soll aber nicht als Rangliste verstanden werden. Das Thema ist für mich genauso wichtig wie die Figuren. Und Spannung geht durchaus mit den Figuren einher. Und weigern sich die Figuren zu handeln, entsteht auch keine Action. Nein, das ist ein voreiliger Schluss. Gute Dialoge können nämlich sehr wohl voller Spannung und Action sein – hat bereits Samuel Beckett mit Warten auf Godot (1952) bewiesen.

Ich könnte mich nun wie ein Marktschreier auf den Zürcher Paradeplatz stellen und meine Bücher als die spannendsten und unterhaltsamsten Romane des letzten Jahres anpreisen. Ich könnte aber auch einen Vortrag darüber halten, dass die Literaturszene noch genauso verkorkst ist wie im 18. Jahrhundert zu Birch-Pfeiffers Zeiten. Ich bezweifle, dass eins von beiden große Wellen schlagen würde.

Aber bedeutet das dann, dass meine Meinung nicht zählt? Kann mir mal jemand helfen? Ein paar Rezensenten please? :)


Ein Hamsterrad, wie es scheint.


In der Linguistik gibt es den Begriff Laienlinguistik. Das sind die Bemühungen oder Vorstellungen der Laien, also der nicht in Linguistik ausgebildeten Menschen, in Bezug auf Sprache. Vielleicht sind wir alles Laien, wenn es um Literatur geht? Schließlich lässt sich das Problem mit wissenschaftlicher Logik wirklich nicht lösen.

Denn: Wenn ein 4.5-Sterne-Buch 3.000 Bewertungen vorweisen kann und noch nie einen Preis gewonnen hat, ist es doch widersprüchlich, einem 4-Sterne-Buch mit 10 Bewertungen einen Preis zu geben. ;)

In diesem Gedankenspiel geht es nicht darum, einer Jury ihre Kompetenz abzusprechen. Und auch die Masse hat gewiss nicht immer recht; das hat die Geschichte ebenso bewiesen. Aber sie bildet dennoch einen Trend ab, der von anspruchsvollen und kultivierten Literaturwissenschaftler doch oft ignoriert oder als trivial abgetan wird.


Ein Hin und Her ist das hier. Wem raucht noch nicht der Schädel?

Belassen wir es doch einfach dabei: Literatur ist für alle da. Lass dich von den Geschichten in Bann ziehen und bilde dir deine eigene Meinung. Geniesse sie wie ein gutes Essen und erfreue dich über ihre Vielseitigkeit.



(mcl)


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