top of page

Wie aus Themen Probleme werden

oder: Was meiner Auffassung von Logik widerspricht


In letzter Zeit beobachte ich vermehrt, wie aus Alltagsthemen Probleme gemacht werden. Vielleicht ist es eine Frage des Alters, vielleicht der Zeitgeist, sich korrekt zu verhalten, oder vielleicht auch nur das Bedürfnis, sich zu profilieren. Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß, ist, dass man, nur, weil man eine Meinung hat, noch lange kein Experte ist.


Ich kann nur über Dinge schreiben, über die ich auch etwas weiß. Dieses Credo kennt wohl jeder Schriftsteller. Alles andere verlangt nämlich nach sehr viel Recherche, damit die Leser – selbst wenn es sich um Fantasy handelt – es einem abkaufen. Aber wie erkenne ich die Dinge, über die ich nichts weiß?


Im Jahr 1992 erschien der wunderbare Film Aus der Mitte entspringt ein Fluss von Robert Redford mit Brad Pitt in der Hauptrolle. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Norman Maclean aus dem Jahr 1976. Ich war begeistert von dem Film, also habe ich mir auch noch das Buch gekauft. Doch die Ernüchterung kam sehr schnell. Während Robert Redford das Hauptaugenmerk auf die Beziehung der beiden Brüder gelegt hat, schien mir der Roman mehr eine Anleitung zum Fliegenfischen zu sein. Die psychologischen und sozialen Aspekten, die Redford meisterhaft herausgearbeitet hat, musste man im Buch irgendwo zwischen den Zeilen suchen.


Und worauf will ich hinaus? Ich würde niemals ein Buch über das Fliegenfischen schreiben, denn davon habe ich absolut keine Ahnung. Schuster, bleib bei deinen Leisten. Mein erstes Buch handelte von einer Rockband. Und wie sich herausstellte, war die Geschichte tatsächlich auch eher für Leser, die sich selbst in der Musikerszene herumtrieben, da ein Verständnis über gewisse Begriffe vorausgesetzt wurde. Ob das nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Ich von meiner Seite her aber wusste, dass das, was ich dort geschrieben habe, überzeugend war.


Aber etwas überzeugend herüberzubringen ist keine große Kunst. Hier ein paar handfeste Argumente, da ein paar schlechte Beispiele und schon hat man die Leser im Sack. Da ich absolut unpolitisch bin, liegt es mir fern, Menschen mit meinen Texten für eine Sache überzeugen zu wollen. Ich hoffe auf Logik und Verstand; doch der fehlt leider zu oft an den richtigen Stellen.


Rede ich hier um den heißen Brei herum? Na gut, ich versuche es nochmal.


Jemand wählt z.B. das Thema Fliegenfischen, wirft es in die Runde und ruft dazu auf, etwas dazu beizutragen. Alle Beteiligten machen sich im stillen Kämmerlein ihre Gedanken dazu, verfassen einen Beitrag und werfen ihn zurück in die Runde. Die Headlines sind unterschiedlich und lauten: "Fliegenfischen, ein einsames Hobby", "Wie man Fliegen fischt" oder "Warum Fliegenfischen ein Problem ist".


Abgesehen davon, dass diese Titel es den Boulevardblättern gleichtun und um nichts anderes als um Aufmerksamkeit heischen, sind sie auf so viele Arten falsch. Muss Einsamkeit negativ sein? Man fischt keine Fliegen, sondern man fischt mit Fliegen nach Forellen. Und warum sollte das Fliegenfischen ein Problem darstellen?

Selbst wenn die Beiträge das Fliegenfischen an sich als das belassen, was es ist, nämlich bloß eine Art zu Fischen, locken sie die Leser auf eine (möglicherweise falsche) Fährte und proklamieren (möglicherweise falsche) Inhalte. Die Verfasser profilieren sich als Experten, indem sie Stellung beziehen, wobei niemand da ist, der ihnen ihre Kompetenz abspricht. Und keinem der wohlwollenden Beteiligten würde es in den Sinn kommen, auf falsche Fakten hinzuweisen. Alle versuchen korrekt zu sein und heben deshalb auch nur die positiven Aspekte der Beiträge hervor.


Ist das gut?

Ist das schlecht?

Ich weiß es nicht.

Aber es widerspricht definitiv meiner Auffassung von Logik.


Ist ein bisschen wie bei Corona. Die Pandemie hat meiner Meinung nach sehr schön aufgezeigt, wie unsere Gesellschaft tickt. Es sind nämlich nicht die Vernünftigen, die auf den Straßen für Krawall und Chaos gesorgt haben. Sie hatten es auch nicht nötig, gegen irgendwelche Massnahmen Sturm zu laufen, Straßen zu blockieren oder die Impfung – eine wissenschaftliche Höchstleistung des 21. Jh. – als den größten Menschenversuch der Geschichte abzutun. (Schon das zu schreiben, lässt mich den Kopf schütteln.)


Nun gut, zum Glück steht bei mir das Prinzip "Leben und leben lassen" höher als die Logik. Aber ich finde schon, dass man zuerst nachdenken sollte, bevor man aus einer Mücke, wie dem Fliegenfischen, gleich einen Elefanten macht.



(mcl)


bottom of page